Gestickte Haussegen auf Luxuspapier
Haussegenssprüche, die den Schutz Gottes erbaten, waren in den bürgerlichen Haushalten im 19. und 20. Jahrhundert ein beliebter und weit verbreiteter Wandschmuck.
In den 1880er Jahren kommt eine neue Herstellungsart für Haussegen auf, die für rund 40 Jahre marktbestimmend war: die Stickerei auf Lochkarton. Den Untergrund bildet ein Bogen aus so genanntem Papierkanevas, einem mit feinen Löchern versehenen Papier, das bestickt werden konnte. Den genähten Sinnspruch ergänzen getrocknete Farnwedel, Edelweiß und Seidenblumen sowie Bilder, Oblaten, Fotografien oder auch aus Zelluloid geprägte Portraits oder Figuren. Auf diese Weise entstehen bemerkenswerte Objekte, die eine außergewöhnliche Technik mit Realien verbinden.
Der preiswert herzustellende Papierkanevas ahmt den locker gewebten Kanevas oder Stramin aus Hanf nach. Die auf den Bildträger aufgebrachten Zelluloidprägungen können als Imitat von Luxusartikeln wie Elfenbein, Hornsubstanz oder Perlmutt verstanden werden. Stickbilder, die sich vormals wegen ihres hohen Preises nur die bessergestellten Schichten leisten konnten, waren nun für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich.
Die Haussegen durften in keinem Haushalt fehlen. Unmissverständlich mahnten sie die Bewohner zu tugendhaftem Verhalten, wozu insbesondere Eigenschaften und Wesensmerkmale wie Frömmigkeit, Ehrfurcht, Fleiß, Treue oder Nächstenliebe zählten. Quellen der belehrenden Sprüche waren die Bibel, Psalmverse, Volksweisheiten, Sprichwörter oder auch Zitate berühmter Persönlichkeiten. Die bildlichen Darstellungen zeigten beliebte Motive wie Wallfahrtsmadonnen, Herz Jesu- und Herz Mariadarstellungen oder auch profane Szenen, die das Vater-und Mutterglück illustrierten.