Vom Mittelalter zur Farbmalerei
Das Clemens Sels Museum Neuss besitzt eine besonders qualitätvolle und vielfältige Sammlung. Den Auftakt bilden die Gemälde des Mittelalters und der Niederländer des 17. Jahrhunderts. Auch die Nazarener und Präraffaeliten sind mit wichtigen Arbeiten vertreten. Vor allem die Werke der Symbolisten bilden eine in Deutschland einzigartige Sammlung. Darüber hinaus umfasst der Bestand bedeutende Stücke des Rheinischen Expressionismus und der Naiven Kunst. Den Abschluss bilden zeitgenössische Arbeiten der Farbmalerei.
Die Abteilung der Alten Kunst gründet auf der Stiftung von Pauline und Dr. Clemens Sels und umfasst Meisterwerke vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert.
Im Mittelalter sind Kirchen und Klöster die Hauptauftraggeber für Kunstwerke, die vor allem der einprägsamen Vermittlung christlicher Inhalte dienen.
Die Malerei der Niederländer erreicht im 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Man spricht von der Epoche des "Goldenen Zeitalters", in der die Niederlande eine Blütezeit in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst erleben. Die Kunst wird zum Spiegel des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels.
Einen weiteren Schwerpunkt der Sammlung bildet die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts. Darunter befinden sich Gemälde der sogenannten Nazarener, die nach einer Erneuerung der Kunst aus dem Geist des Christentums streben und deren Kunst eine der Inspirationsquellen für die Präraffaeliten ist.
1848 wird die Präraffaelitische Bruderschaft in London gegründet. Mit ihrer symbolisch aufgeladenen Farbe, dem eingehenden Naturstudium und den christlichen, literarischen und sozialkritischen Bildinhalten rebellieren die Künstler gegen klassizistische Lehrinhalte und streben nach einer Ästhetisierung aller Lebensbereiche. Die Präraffaeliten rücken durch ihren Hang zur Mystik, die Verbildlichung von Emotionen eingekleidet in literarische Vorlagen sowie durch die Verwendung allegorischer Hinweise in unmittelbare Nähe zu den Symbolisten.
Bedeutende Werke des Symbolismus bilden das Herzstück der Sammlung. Gustave Moreau gilt als „Vater des Symbolismus“, der nach einer Abkehr vom natürlichen Erscheinungsbild strebt. Als wegweisender Lehrer an der École des Beaux-Arts in Paris wird er nicht müde, seine revolutionären Ansichten über den Umgang mit Farbe zu vermitteln: „Die Farbe muss gedacht, geträumt, imaginiert werden.“ Mit seinen bemerkenswerten „Farbphantasien“ nimmt Moreau die Befreiung der Farbe im 20. Jahrhundert vorweg. Die Symbolisten streben danach, ihre Kunst durch den Eigenwert der Farbe und die Sprache der Symbole zum Spiegel der Seele und des Unterbewussten, von Träumen und Visionen werden zu lassen.
Das Rheinland ist nach Dresden, Berlin und München ein weiteres Zentrum des Expressionismus in Deutschland. Nachdem sich die Künstler der „Brücke“ und des „Blauen Reiters“ zusammengeschlossen haben, formieren sich die Rheinischen Expressionisten 1913 in Bonn. Auf ihrer Suche nach neuem bildnerischen Ausdruck sind sie durch eine expressive Bildsprache und ihre Nähe zur französischen Kunst verbunden, die zu fauvistischen Tendenzen führt. August Macke, Heinrich Campendonk, Max Ernst oder auch Heinrich Nauen zählen zu den maßgeblichen Protagonisten, die mit wichtigen Werken in der Sammlung des Clemens Sels Museums Neuss vertreten sind. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bringt das vitale Kunstgeschehen im Rheinland zum Erliegen.
Das Clemens Sels Museum Neuss besitzt eine umfangreiche Sammlung von authentisch Naiver Kunst. Die Werke der Autodidakten, deren individueller Stil sich frei von akademischen Konventionen entwickelt, bieten eine ursprüngliche, oftmals visionäre Sicht auf die Lebenswelt. Es ist die Malerei Henri Rousseaus, des malenden Zöllners, die das große Interesse der Avantgarde weckt. In Deutschland gilt Adalbert Trillhaase als der „deutsche Rousseau“. Als erster Sammler engagiert sich der deutsche Galerist Wilhelm Uhde in Frankreich für die Laienmalerei. Zu den von ihm geförderten Maler*innen gehören Camille Bombois, André Bauchant, Séraphine Louis und Louis Vivin. Auch polnische Naive sind mit zahlreichen Bildern und Skulpturen in der Sammlung vertreten.
Das Clemens Sels Museum Neuss besitzt eine ausgesuchte Sammlung zur Farbmalerei. Der Bestand umfasst Gemälde und Skulpturen von internationalen Künstlern wie Marcia Hafif und Phil Sims ebenso wie von wichtigen Deutschen wie Katharina Grosse, Dieter Villinger, Markus Linnenbrink, Paul Schwer und Camill Leberer. Die Sammlung wird regelmäßig durch Ankäufe und Schenkungen erweitert. Aufgrund seiner Qualität steht diesem Bereich im Erdgeschoss eine eigene Ausstellungsetage zur Verfügung. Neben der wechselnden Präsentation des Eigenbestands werden Künstler eingeladen, ein ortsspezifisches Konzept zu entwickeln. Durch das Zusammenspiel von Kunst und Architektur entstehen imaginäre Farbräume, die die Wahrnehmung und das Empfinden nachhaltig für die Kraft und vielfältigen Wirkungsweisen von Farbe sensibilisieren.